Samstag, der 27.07.2013; Wir sind auf den Tag genau 3 Monate unterwegs, gönnen uns einen Ruhetag in Karlshamn und stehen vor einem scheinbar unlösbaren Problem

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Bevor ihr anfangt zu lesen, es wird partiell etwas arg technisch. Daher bedanke ich mich schon jetzt für eure Geduld, dass ein Ingenieur im Ruhestand seine persönlichen Neigungen ausleben darf. Aber zunächst etwas ganz Anderes. Am 27.04.2013 startete unsere Abenteuertour mit eigener Muskelkraft die Ostsee zu umrunden damit, dass der liebe Hendrik uns mit Auto und Anhänger nach Lübeck gebracht hat. Nun sind wir also schon 3 Monate unterwegs. Eine kurze Zeit in unserem Leben, aber doch eine intensive Phase, mit vielen Eindrücken und Begegnungen, die uns mitunter sehr lange aber immer spannend und daher kurzweilig erscheint. Als Herausforderung das Unbekannte kennenzulernen und die Suche nach eigenen Grenzen über Grenzen hinweg macht dieses Erlebnis unbeschreiblich, das wir hier nur ansatzweise wiedergeben können. Um ein Fazit zu ziehen, ist es noch zu früh, denn rund einen Monat möchten wir noch auskosten, als „fahrendes Volk“ unterwegs sein zu können. Der Tag Pause heute bedeutet, Schonung für den Hintern, den nächsten Campingplatz nicht erreichen müssen, ein wenig Müßiggang und dennoch gibt es zu tun. Wir wollen für euch, aber auch für uns die noch ausstehenden Blogs schreiben. Dazu wird immer derjenige, der in der Reihenfolge nach Datum dran ist, von anderen allgemeinen Aufgaben (Einkaufen, Kochen, Spülen usw.) freigestellt. Das mitgenommene Notebook muss zwischendurch aufgeladen werden, was meistens nur in Waschräumen oder in Küchen möglich ist. Da in Waschräumen die Gefahr besteht, dass mit Wasser gespritzt wird, kann diese Gelegenheit nur in seltenen Fällen genutzt werden. Hier in Skandinavien haben fast alle Campingplätze eine Küche und die meisten auch noch einen Aufenthaltsraum. Je größer der Platz ist und je mehr er sich selber Sterne zuschreibt, desto dürftiger ist die Ausstattung der Küchen. Hier in Karlshamn gibt es für die Größe des Platzes vielleicht einige Toiletten zu wenig, aber Strom in einem kleinen Aufenthaltsraum der Küche. Wie bei nahezu allen Ruhetagen wird nach den Fahrrädern geschaut. Bei der Kettenpflege seines Rades bemerkt Heiner, dass eine Speiche gebrochen ist. Dummerweise am Hinterrad und auf der Ritzelseite. Hierfür muss das Ritzelpaket abgenommen werden, um die neue Speiche einzufädeln. Dazu haben wir einen speziellen Vielzahnschlüssel mit, um das kleinste Ritzel vom Paket abzuschrauben. Die anderen Ritzel sind nur auf dem Zahnkranz aufgeschoben und wären damit einfach abzunehmen. Trotz verschiedener Versuche war das Ritzelpaket jedoch nicht abzulösen. Auch die mitgenommenen Reservespeichen sind vollkommen ungeeignet, um für Ersatz zu sorgen. Verdammte Inkompetenz eines weiteren Fahrradgeschäftes, diesmal aus Düsseldorf. Heiner fragt in der Rezeption nach, wo es Fahrradhändler gibt und natürlich ist das Ergebnis, wie sollte es anders sein, genau am anderen Ende der Stadt gibt es ein Geschäft. Nach erneuter Rückfrage erfahren wir, dass es bereits seit 14:00 Uhr geschlossen ist. Was tun, Samstagnachmittag 16:30 Uhr? Noch ein Tag Pause, um am Montagmorgen dann einen Fahrradhändler mit Kettenabziehern (das sind die professionellen Hilfsmittel, die aber zum Mitnehmen einfach zu schwer sind) zu finden? Ein Schraubstock könnte helfen, oder vielleicht doch Lösungsmittel wie z.B. Caramba oder Molikote (wird nur für Fachleute erwähnt!). Aber wo sollen wir so etwas herbekommen? Wir haben ja auch nicht die richtigen Speichen. Heiner fällt ein, dass er ja noch einen kompl. Satz Speichen seiner Vorderradnabe hat, die wir von der Felge gelöst haben, um die Nabe dann per Post nach Deutschland zu schicken. Ich probiere und kann es nicht glauben, da sie eigentlich für eine Hochflanschnabe sind, aber es könnte so grade hinhauen, oder sind die doch etwas zu lang? Ich überlege hin und her und dann erinnere ich mich an die letzte Ostseetour mit Elisabeth, bei der wir auf dem Tandem 5-6 Speichenbrüche hatten und ich den Seitenschlag 2-mal einfach rauszentriert habe, um weiterfahren zu können. Also mach ich mich an die Arbeit, aber die Nippel sind dermaßen abgenutzt (Fahrrad war vorher in Inspektion beim o.g. Fachgeschäft), dass es eine ziemliche Prozedur ist, einigermaßen einen Geradlauf hinzubekommen. Immerhin so gut, dass es nicht erforderlich wird, die Bremse weiter stellen zu müssen, um dem Seitenschlag der Felge auszuweichen, auch wenn ein kleines Eiern verbleibt. Ob es für das Weiterfahren reichen, oder ob es auf einsamer Strecke nicht mehr weiter gehen wird, erfahrt ihr im nächsten Blog. Während Karl-Josef sich seiner Rohloffschaltung wie gewohnt widmet, bastele ich an meiner Hinterradbremse, da sich beim Bremsen immer ein Schlagen im Hinterrad bemerkbar macht. Ich stelle fest, dass wohl 2 besonders harte Schläge auf die Felgenflanken − vermutlich in Schlaglöchern − diese auseinander gedrückt haben. Zu Hause könnte ich versuchen, die geweiteten Stellen mit einem Schraubstock oder einer Schraubzwinge beizudrücken. Obwohl wir einiges an Werkzeug mithaben, so etwas gehört leider nicht zu unserer Ausrüstung. Da wir ja nur noch etwas mehr als 1 000 km zurücklegen müssen, hoffe ich mit diesem kleinen Problem zurecht zu kommen. Karl-Josef stellt fest, dass seine über ein Parallelogramm gefederte Sattelstütze sehr stark ausgeschlagen ist, und daraus eine hohe Instabilität resultiert. Also hoffen wir, morgen den Sonntag zu überstehen, um dann am Montagmorgen einen kompetenten Fahrradladen aufzusuchen. Geneigte Leserschaft nun zum Trost, es ist genug mit technischem Firlefanz, aber ihr solltet nicht denken, dass unsere Fahrräder bei diesen hohen Belastungen − im Gegensatz zu uns − eine rund 6 000 km Tour so einfach wegstecken. Was gibt es sonst noch zu berichten? Karl-Josef radelt zum Einkaufen in den ca. 2 km entfernten Supermarkt und kauft leckeres Grillgut. Ich hatte Birgit und Jochen, die mit dem Wohnmobil neben uns ihr Quartier aufgeschlagen haben gefragt, ob sie wohl zufällig abends grillen wollen (sie hatten einen kleinen Edelstahl-Campinggrill neben ihrem Wohnmobil stehen). Genau dieses hätten sie vor, war die Antwort und das wir gerne unser Grillgut dann auch grillen könnten. Karl-Josef zaubert somit, zusammen mit leckeren Salzkartoffeln (mittlerweile sind meine beiden Jungs ab von den „Quallmännern“), ergänzt durch einen Tomatensalat von Heiner (was denn sonst?) und einem leckeren Gurken- / Paprikasalat, den uns Jochen noch zubereitet hatte, ein wohlschmeckendes Mittag- / Abendessen. Birgit und Jochen sind von der Weinstraße aus der Pfalz angereist und genießen 3 Wochen Ferien in Schweden. Nach dem leckeren Abendessen gehe ich noch zur nahegelegenen Küste und kann einige Eindrücke fotografisch festhalten. Ja, und dann war da noch Blog schreiben, Fotos aussuchen und betexten, das bunte Treiben auf dem Campingplatz verfolgen und die Strecke für morgen überlegen. Auch heute Abend verschwinden wir – wen wunder’s – wieder in den Schlafsäcken unserer heimeligen Zelte.

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