Es regnet heute Morgen und ich lasse es verständlicherweise gemächlich angehen. Zum ersten Mal frühstücke ich daher notgedrungen aber regengeschützt in meinem kleinen Zelt. Ich bin erstaunt, wie problemlos das klappt. Mein Kaffeewasser habe ich mit dem Tauchsieder im Waschraum heiß gemacht, so dass ich mit 2 Tassen Kaffee meine Lebensgeister aufwecke. Etwas eng wird es dann doch, als ich versuche die Straßenkarte auszubreiten, um einen möglichen weiteren Weg für heute in Richtung Wesel zu finden. Eine Strecke über eine Landstraße und dann ab Steinfurt entlang der Bundesstraße B 249 in Richtung Coesfeld, so ist mein Plan. Glücklicherweise hört der Regen gegen 10:00Uhr auf und ich räume zusammen und lade alles auf mein Rad. Beim Losfahren schaue ich sorgenvoll, wie sich der Reifen auf dem asphaltierten Weg eindrückt. Aber es geht nicht anders, bei mehr Luft ist die Gefahr zu hoch, dass die Felgenflanke aufreißt. Noch vorsichtiger fahren ist die Devise. Die Straßen sind erstaunlich schnell abgetrocknet, was das Fahren angenehm macht. Aber ein deutlich höherer Rollwiederstand macht sich wegen der fehlenden Luft im Hinterrad bemerkbar. Aber was soll‘s, bei rund 4 Monate Training muss ich solche Beschwerlichkeiten wegstecken. Ich überquere mal wieder den Dortmund-Ems-Kanal und weiß an einer Wegegabelung nicht so richtig weiter. Wie so oft auf unserer Reise kommt ein sachkundiger Radler und fragt, ob er weiterhelfen könne. Ich erkläre ihm, dass ich in Richtung Steinfurt und dann nach Coesfeld fahren möchte. Ja, da gäbe es einen tollen Fahrradweg über eine ehemalige Bahnstrecke bis nach Coesfeld, die erst im letzten Jahr wieder um ein Stück erweitert worden sei. Gerne ist er bereit, mit zu fahren und mir den Weg auf diese Strecke zu zeigen. Wilhelm ist an diesem Morgen schon an die 50 km gefahren und legt ein gutes Tempo vor. Erst jetzt merke ich, dass ich wegen der fehlenden Luft im Hinterrad kräftig gefordert bin. Es geht auf sehr verschlungenen Wegen (hätte ich alleine nie gefunden) zunächst ein gutes Stück auf Rheine zu und dann erreichen wir den gut ausgebauten und befahrbaren Radweg. Wilhelm fährt auch hier noch ein gutes Stück mit, biegt dann aber, nachdem ich mich herzlich bei ihm bedankt habe, nach links ab, um den Heimweg anzutreten. So geht es immer eben und auf langen Strecken geradeaus weiter auf dem Bahndamm. Es sind an diesem Sonntag einige Radler, Rollschuhfahrer und Fußgänger hier unterwegs. Mir fällt auf, dass nun schon die ersten Blätter von den Bäumen fallen und verschiedene Stellen sehen bereits richtig herbstlich aus. Aber wir haben doch gerade erst Ende August? Als wir am 27. April gestartet sind, da fingen manche Bäume erst zaghaft an auszutreiben. Die meisten Getreidefelder sind bereits abgeerntet aber einiges Getreide steht auch noch auf dem Halm. Mais-, Rüben- und Kartoffelfelder wechseln sich mit Weiden und bereits neu bearbeiteten Ackerflächen ab. Wie kurzweilig und spannend ist doch diese Reise gewesen, mein Zeitgefühl ist verkümmert. Wie oft waren wir uns uneins, wenn wir den Wochentag diskutiert haben. Hätten wir das Tagebuch nicht geführt, wären wir ohne auf die Uhr zu sehen (gibt den Wochentag an!) vermutlich ganz aus der Spur gelaufen. Die Bahnlinie führt weitestgehend durch dünn besiedeltes Gebiet und nur die Städte Steinfurt, Horstmar, Rosendahl und Coesfeld liegen direkt an der Strecke. In Rosendahl mache ich in einem Gasthof Mittagspause und bestelle mir das Sonntagsmenü, bestehend aus leckerer Rindfleischsuppe mit Klößchen und Eierstich, das Hauptessen mit Rinderbraten, Kartoffeln und feinem Gemüse, zum Nachtisch ein leckeres Eis mit frischen Früchten. Wem jetzt das Wasser im Mund zusammengelaufen ist, nehme sich ein frisches kühles Getränk und schlucke es herunter! Danach geht es mit dem Rad weiter bis nach Coesfeld, wo der schön ausgebaute Radweg leider zu Ende ist. Mit einigen Schlenkern durch Coesfeld finde ich eine Landstraße nach Reken. Während es nach der ebenen Fahrt über den Bahndamm auch hinter Coesfeld noch weiter flach geht, kommt dann überraschend eine Auffahrt nach Reken. Erst als ich genauer auf meine Straßenkarte sehe, entdecke ich einen schönen Aussichtspunkt, der mit 133m angegeben wird. Nach dem morgendlichen Regen ist es nun sehr schwül geworden und als ich im Ort die Steigung hinter mich gebracht habe, komme ich an einem Kiosk vorbei, wo ich mir ein alkoholfreies Weizen mit einer Scheibe Zitrone bestelle. Ich nehme mir meine Karte mit, um ein mögliches Ziel auszusuchen. Auch kontrolliere ich den aktuellen Tageskilometerstand und bin überrascht, dass ich schon über 80km gefahren bin. Der Campingplatz, den ich mir ausgesucht hatte Richtung Wesel liegt aber noch rund 30km weiter. Da ich durch die Schwüle und den höheren Rollwiederstand meines Rades müde geworden bin, überlege ich, hier in Reken den Campingplatz zu nehmen. Über Wesel wären es dann morgen über 130 km, aber wenn ich direkt auf Duisburg zu und zunächst linksrheinisch fahre und in Kaiserswerth mit der Fähre nach Meerbusch übersetze, könnte es klappen. Die Strecke morgen ist dann zwar länger als heute, aber Heiner wird ja auch erst abends in Meerbusch sein. Also steuere ich den Campingplatz von Groß Reken an, wo ich auf die sehr nette Rosemarie treffe. Sie hat die Leitung des Platzes auf ihre Tochter übertragen, aber arbeitet immer noch unterstützend mit. Ich unterhalte mich mit ihr eine ganze Weile über verschiedene Themen und sie ist sehr interessiert an meinen Erlebnissen zu unserer Ostseeumrundung. Sie berichtete u.a., dass leider an zwei folgenden Tagen zwei Radfahrer, der Eine in Richtung und der Andere vom Nordkap kommend hier waren, nur fand sie schade, dass die Beiden sich leider nicht hätten austauschen können. Sie zeigt mir die möglichen Zeltplätze, von denen ich mir dann einen aussuche. Am Abend nutze ich die Möglichkeit in einer angeschlossenen Gaststube mir eine Currywurst zu bestellen und ein weiteres Weizenbier, mit einer Scheibe (…?). Genau! Wer mich kennt, der weiß dies schon, wegen der Vitamine! Die Currywurst kommt zwar mit Pommes (hatte ich nicht bestellt, weil sie gehören nicht zu meinen Lieblingsspeisen), brauchte ich auch nicht zu bezahlen, aber dennoch so Einige habe ich dann doch genascht. Als ich dann schon im Dunklen aus dem Waschraum zum Zelt komme, stelle ich traurig fest, dass dies wohl die letzte Nacht auf dieser schönen Reise im Zelt sein wird. Ich habe mich zwar bei Heiner in Meerbusch zum Zelten eingeladen, aber er meinte, es stände auch noch ein Gästebett zur Verfügung. Da ich mir den Komfort im Zelt zu schlafen wieder abgewöhnen muss, werde ich übermorgen zu Hause auch wieder mein eigenes Bett aufwärmen. Ich brauche sicherlich keinem unserer Leser berichten, dass ich diese Nacht auf meiner 1,6 cm dicken selbstaufblasbaren Thermarest - Matratze wie immer murmeltiermäßig gut geschlafen habe.










