Ich bitte schon jetzt um Entschuldigung, wenn der Bericht möglicherweise etwas ausschweifend wird, aber es kribbelt mir in den Fingern. Einen kleinen Nachtrag vom Vorabend möchte ich noch anfügen. Wir schlafen hier in Riga in einem Hostel. Das ist kein Hotel und keine Jugendherberge, sondern eine einfache Unterkunft mit vernünftigen Betten, alles modern eingerichtet, sauber und Gemeinschaftsdusche und -toilette auf dem Flur. Es gibt eine Küche, die dann auch als Frühstücksraum genutzt wird. Hier in Riga hatten wir die Möglichkeit, unsere Fahrräder über einen Innenhof in einen Raum eines Nachbarhauses zu schieben und dort zu parken. In einem Raum weiter waren Waschmaschine und Trockner, in der wir unsere mittlerweile nicht mehr so ganz frische Kleidung wieder auf einen sozialisierungswürdigen Stand bringen konnten. Der Raum, in dem die Fahrräder standen, war aber so eingerichtet, dass er auch als Aufenthaltsraum nutzbar war, mit großem Sofa. Nach unserem nächtlichen Stadtbummel wollten Karl-Josef und der Autor nun die mittlerweile beendete Wäsche aus der Waschmaschine herausholen, um sie im Dachbodenzimmer aufzuhängen. Zunächst wunderten wir uns, dass in dem Raum (hatte Fenster zum Innenhof) in dem unsere Fahrräder standen, Licht brannte. Wir waren uns aber sicher kein Licht angemacht zu haben, als wir die Waschmaschine gefüttert hatten. Auch war ich mir sicher, die Türe zum Raum wieder abgeschlossen zu haben und wir hatten die Schlüssel an der Rezeption nicht zurückgegeben. Natürlich denkt man als erstes: Was ist mit den Rädern? Ich versuchte die Türe zu öffnen, aber nach einigen Versuchen (Schlüssel musste zum Öffnen gegen unsere gewohnte Drehrichtung gedreht werden und die Türe klemmte auch) stellte ich fest, dass die Türe gar nicht abgeschlossen war. Wir betreten den Raum und entdecken, dass unsere Fahrräder – obwohl abgeschlossen – in einer anderen Ecke stehen. Auf einmal vernehmen wir erst einen kleinen Schrei und dann erscheint vorsichtig um die Ecke spähend aus dem Raum mit den Waschmaschinen ein hübsches junges Mädel, das notdürftig versucht sich schützend mit einem Handtuch ihre Blöße zu bedecken. In einer solchen Situation fällt es natürlich schwer sich auf Englisch zu verständigen, zumal wenn beide fremdsprachig sind. Dennoch gelingt es uns klar zu machen, dass wir nur in der Absicht gekommen sind, unsere Wäsche aus der Waschmaschine zu holen. Auch das Mädchen hatte sich dann wieder beruhigt und erbat sich einige Minuten, um sich anzuziehen. Was müssen zwei so ausgewachsene Nordlandfahrer für einen tierischen Schrecken bei dem Mädchen verursacht haben? Neben den Waschmaschinen befand sich noch eine Dusche und dort war sie wohl von uns gestört worden. Eilig klauben wir unsere Wäsche aus der Maschine, bitten nochmal ausdrücklich um Entschuldigung und erwähnen noch, dass wir davon ausgegangen seien einen unbewohnten Raum vorzufinden. Wie wir dann die Wäsche getrocknet haben, könnt ihr auf dem Bild vom Vortag nachvollziehen. Gut ausgeschlafen geht es gegen 9:00 Uhr dann am nächsten Morgen zum Frühstück. In der Miniküche gibt es einen Minitisch an dem schon ein junges Pärchen sitzt. Nach einigen englischen Floskeln verständigen wir uns darauf, uns weiter auf Deutsch zu unterhalten. Sie stammt aus Dresden und er aus Potsdam. Ihr Großvater stammt aus Riga und sie hat noch einige Verwandte hier, die sie besucht hat. Sie sprudelt nur so Vorschläge aus, was in Riga und auf unserem weiteren Weg in Lettland zu besichtigen und zu beachten ist. Nachdem sie sich verabschiedet haben, kommt ein Mann in die Küche, der uns auf englisch, lettisch und deutsch einen guten Morgen wünscht. Er ist Finne und spricht wie sich im weiteren Gespräch zeigt ganz passabel Deutsch, da er einige Jahre in Deutschland gelebt hat. Er berichtet, dass er eine Tagung in Riga nutzen möchte, um sich in einer Zahnklinik Implantate setzen zu lassen. Gefundenes Thema für Heiner, der eine Lösung für sein Zahnproblem sucht. Als Heiner sich nach der Adresse erkundigt, wird er höflich darauf hingewiesen, dass er wohl keine Klinik sondern einen Zahnarzt benötigt. An der Rezeption erfährt Heiner, dass es einen Zahnarzt 3 Häuser weiter gibt, den er dann auch direkt am Morgen aufsucht, während Karl-Josef und ich unseren Stadtrundgang starten. Im 19 Jhd. entstanden zahlreiche Jugendstilhäuser, die wir zuerst entdecken wollen. Mit einer Karte aus dem Hostel finden wir auch das entsprechende Viertel, das außerhalb der Altstadt liegt. Entlang der Elizabethstraße sehen wir einige Exemplare hierzu, aber schon meldet sich Heiner und teilt mit, dass er erst um 16:00 Uhr zur Zahnarztuntersuchung einen Termin erhalten hat. Wir verabreden uns als Treffpunkt bei der Touristeninformation (in der Altstadt von Riga), finden uns aber schon zufällig vorher auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel. So marschieren wir als erstes zur Geburtskathedrale. Sie ist eine Kathedrale der russisch-orthodoxen Kirche und die größte orthodoxe Kirche der baltischen Staaten, die von 1876 bis 1883 im neobyzantinischen Stil erbaut wurde. Im 43 m hohen Glockenturm befinden sich 12 Glocken. Die Kathedrale hat eine bewegte Geschichte, noch von Alexander II. genehmigt und später von den sowjetischen Behörden in ein Planetarium umgewandelt. Nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 wurde die Kirche grundlegend saniert (bis 2006). Bereits 1992 wurde sie als Kathedrale wiedergeweiht. Leider war im Innenraum Fotografierverbot (spornt mich immer erst richtig an), daher nur aus der Hüfte geschossene Bilder. Danach wenden wir uns dann der Altstadt zu. Vorbei an dem Freiheitsdenkmal, das an die erste lettische Unabhängigkeit ab 1935 erinnert. Hier schließt sich ein schöner mit Skulpturen gestalteter Park an. Danach gehen wir zu einem Gebäudeensemble “Die Drei Brüder“. Das Haus 17 ist das älteste profane Steingebäude im Stadtgebiet, es wurde bereits im 15. Jahrhundert im Stile niederländischer Renaissance-Häuser errichtet. Danach wurde es Zeit (wir gewöhnen uns langsam daran) wieder einmal nach einem Mittagsmahl zu suchen, das wir auch hier unmittelbar in der Altstadt finden. Unser lieber Heiner schlingt sein Essen runter, ausnahmsweise heute mal, na… was…Fisch? Ja, diesmal Tintenfisch! Während wir nur einen Salat essen, ok mit einer Soljanka vorneweg (gewöhnen wir uns langsam dran), lässt die zu erwartende Unruhe zur Zahnuntersuchung Heiner keine Ruhe und so geht er schon um 14:00 Uhr um den Termin um 16:00 Uhr nicht zu verpassen. Karl-Josef gibt ihm noch einmal die eindringliche Empfehlung mit auf den Weg, sich auf keinen Fall den Zahn ziehen zu lassen. Heiner geht seiner Wege, wir essen zu Ende und machen uns weiter auf unseren Stadtrundgang und kommen wieder auf den Rathausplatz mit dem schönsten Gebäude der Stadt, dem Schwarzhäupterhaus. Die Compagnie der Schwarzen Häupter war aus der Ende des 13. Jahrhunderts tätigen Bruderschaft des Heiligen Georg hervorgegangen. Sie vereinigte junge, unverheiratete ausländische Kaufleute, die in Riga lebten, ohne das Bürgerrecht der Stadt zu besitzen. Es diente sowohl den Kaufleuten als auch der vorwiegend deutschen Bürgerschaft Rigas für Zusammenkünfte. Nach einiger Zeit verspüren wir ein unbändiges Kaffeebedürfnis. Als wir das Café betreten, trauen wir unseren Augen nicht, da treffen wir doch tatsächlich bereits zum vierten Mal (s. Bericht vom 22.05.2013), das uns vorausfahrende Hildener Ehepaar, die sofort nach unserem lieben Heiner fragen. Nachdem wir von Heiners Schicksalssituation berichten, erzählen sie von etlichen Fahrradtouren, die sie bereits unternommen haben und erzeugen reichlich Appetit auf neue Reisen, obwohl wir doch unser Abenteuer noch vor uns haben (liebe Frauen bleibt ruhig). Sie empfehlen uns die größten Markthallen Europas zu besuchen, wo wir uns dann umgehend auf den Weg machen. Die Hallen sollen in früheren Zeiten errichtet worden sein, um Zeppeline zu bauen. Nach verschiedenen Angeboten: Fleisch, Backwaren, Fisch, Gewürze, Gemüse und Obst sind die Stände sortiert. Gerade das Angebot der Fischhalle war beeindruckend, zumal Karl-Josef eine Vielzahl der Fische auch kannte. Verschiedentlich forderte ich Karl-Josef auf, doch auch mal so ein Stückchen geräucherten Leckerbissen zu probieren. Aber er ließ sich nicht hinreißen. Wir kaufen am Gemüsestand einige Tomaten, Käse und eine Salami um unser Abendessen gestalten zu können. Auf dem Rückweg wurde Karl-Josef immer unruhiger, wieso Heiner sich noch nicht gemeldet hat. Als wir kurz vor unserem Hostel waren, rief Heiner an. Er klang irgendwie komisch. Ich fragte: „Heiner was ist“? Heiner: „Ja, es gab nur eine Möglichkeit, der Zahn musste gezogen werden“! Ich erschauderte und sagte nur, er möchte doch vor der Tür auf uns warten, da wir ja keinen Schlüssel hatten. Um es kurz zu machen, eine junge, hübsche, engagierte, sympathische Zahnärztin und eine noch nettere Assistentin hatten Heiner überzeugt, was für ihn am besten sei. Heiner sah wirklich geschafft aus. Mir fiel nichts Besseres ein, als Heiner in einem benachbarten Minimarkt eine große Flasche Wodka zu kaufen. Aber Heiner ging es so schlecht am Abend, dass er zwar zum Abendessen einen Joghurt schlürfen konnte, aber den Wodka einfach ablehnte. So fiel Karl-Josef und mir die Aufgabe zu, auf Heiners Wohl anzustoßen. Bleibt noch zu erwähnen, dass wir alle reichlich müde waren und uns nicht mehr aufrappeln konnten, abends nochmal in die Altstadt zu ziehen.















