Animiert durch Yvonne und Danica, sowie die Nordkapfahrer Werni, Sepp und Edi haben wir uns entschlossen, heute auch einen Ruhetag einzulegen. Dies war ganz gut, da ich gestern unfreiwillig – ich wusste da ja noch nicht, dass wir noch bleiben – dafür gesorgt hatte, dass unser Sixpack (hatten wir vergleichsmäßig günstig im Supermarkt erstanden) an Bierdosen aufgebraucht wurde. Da meine beiden Mitstreiter trotz wiederholter Nachfrage / Aufforderung nur jeweils 1 Dose getrunken hatten, nahm ich mich der restlichen 4 Dosen an. Nun 4 x 0,33 l ist für einen gestandenen Nordlandfahrer keine große Herausforderung, aber überraschenderweise für meine Blase. Dies führte dazu, dass ich nachts fast im Stundenrhythmus einem Bedürfnis nachgehen musste. Aber es bescherte mir auch ein außergewöhnliches Erlebnis. Um 23:00 Uhr des Vortages machte ich ein Foto vom Sonnenuntergang, mit dem Eindruck, dass die Sonne hinter dem Meereshorizont bereits verschwunden sei. Als die Blase mich um 24:00 Uhr ins Freie zwang, stand ein glutroter Ball am Horizont, der kaum erkennbar unter dunklen Wolken niedersank, die zuvor die Sonne verdeckt hatten. Im Baltikum hatten wir Sonnenuntergänge, die ich mit ca. 10 – 15 Min. filmen konnte. Hier dauert der Vorgang wahrscheinlich 1 Stunde. Beim nächsten Blasenintervall so um 01:30 Uhr war der Himmel immer noch rot ausgeleuchtet. Gegen 03:00 Uhr hatte sich das Leuchten etwas in Richtung Nordosten verschoben und um 04:30 Uhr begann der Sonnenaufgang. Die ganze Nacht bleibt taghell. Am Morgen, nach dem Frühstück, entscheiden wir uns dann zu bleiben. Nun, was machen Reiseradler, wenn sie mal einen Tag Pause machen? In die Ostsee zum Schwimmen gehen, einen Flecken Sand suchen, wo man die strapazierten Glieder mal ausstrecken und von der Sonne verwöhnen lassen kann? Weit gefehlt! Nein, die Wäsche wird noch einmal zum Nachtrocknen aufgehängt, es wird an noch ausstehenden Blogbeiträgen formuliert und….und…und… natürlich werden die Räder inspiziert, die Antriebsketten gereinigt und neu geölt. Die Gelenke von Umwerfer (das ist das Ding, das die Kette vorne von Zahnkranz zu Zahnkranz wechselt) und Schaltwerk ( das ist das Ding, das die Kette hinten von Zahnritzel zu Zahnritzel schaltet) werden geölt. Und Karl-Josef versucht schon wieder den Freilauf seiner heiß geliebten Rohloffnabe zum Leichtlauf zu bringen, die bei Bergabfahrten, gegenüber unseren Kettenschaltungen deutliche Nachteile aufweist. Beim Einfüllen des Öls in den Dichtring entdeckt Karl-Josef eine am Nippelende gebrochene Speiche. Kein Problem. Wir alle haben Ersatzspeichen mit. Die eigens bei dem führenden Fahrradversender Europas für die Rohloffnabe gekaufte Speiche herausgesucht und ….passt nicht. Die Speiche ist fast 1 cm zu lang! Wir suchen alle anderen Ersatzspeichen raus, aber keine passt. Dann stellt Heiner auf einmal fest, dass sein Vorderrad sich nur schwer drehen lässt. Die Vermutung, dass es irgendwo schleift, an den Bremsbelägen oder am Schutzblech bestätigt sich nicht. Es muss also am Nabendynamo liegen, ein weiteres Spitzenprodukt deutscher Wertarbeit, einem SON-Dynamo. SON steht für Schmidt-Original-Dynamo! Aber wir sind glücklicherweise ja in einer der größten Städte Finnlands, in Vaasa und da sollte es doch ein Fahrradgeschäft geben, die so etwas reparieren können. Da wir ohnehin eine Stadtbesichtigung machen wollten, alle Räder wieder zusammengebaut, Packtaschen zum Einkaufen angehangen und ab in die Stadt. An der Rezeption vom Campingplatz noch schnell erfragt, wo es ein größeres Fahrradgeschäft gibt und auf die Räder, fertig, los. Vom Campingplatz sind es ca. 4 km bis zur überschaubaren Innenstadt. Wir fahren an einem Hafen vorbei, und erreichen dann das auf einem Hügelrücken liegende Zentrum. Erst suchen wir etwas vergeblich, aber ein freundlicher Finne (auch mit Fahrrad unterwegs) zeigt uns dann das Geschäft. Die Möglichkeit eine Ersatzspeiche zu kaufen, kann gerade noch erfüllt werden, allerdings (ist aber technisch egal) gibt es nur verzinkte Speichen, keine Edelstahlspeichen. Für die Reparatur von Heiners Nabendynamo wird allerdings keine Möglichkeit gesehen. Also entschließt sich Heiner ein kompl. neues Vorderrad zu kaufen, was für 74,- € noch erträglich ist. Die Bitte das Rad zu wechseln, kann leider vom Fahrradservice nicht erfüllt werden, da man gedenke gerade Mittagspause machen zu wollen. Nun das neue Rad hinten auf den Gepäckträger geschnallt, zum Zentrum mit Marktplatz zurück und dort an einem Imbiss ein Reisgericht zu Mittag gegessen. Karl-Josef kauft sich in einem Sportgeschäft mit riesiger Außenwerbung, aber überraschend kleiner Verkaufsfläche, einen Sweater mit Kapuze, da ihm bei Regen eine Wechselmöglichkeit fehlt. Heiner düst wegen Magen-Darm-Beschwerden schon mal zurück zum Campingplatz, während Karl-Josef und ich einkaufen gehen. Wir überlegen, heute Abend Reis mit Mandarinenstückchen, garniert mit einigen Erdnüssen und dazu eine Tunfisch-Tomatensoße zu machen. Zurück auf dem Campingplatz ist schnell an Karl-Josefs Fahrrad die fehlende Speiche ersetzt und das Hinterrad wieder zentriert. Das Vorderrad bei Heiner macht aber etwas Probleme, da der Mantel sich nicht zentrisch montieren lässt. Bestimmt 5-6 Versuche, immer wieder aufpumpen, hin- und herdrücken des Mantels auf der Felge, aber es bleibt ein Wulst (im Kölschen: ne Hubbel). Auch ich versuche es mit wenig Erfolg. Muss man zunächst mal mit leben. Mittlerweile ist es Abend geworden und Karl-Josef beschließt etwas zu kochen. Als Beilage gibt es Nudeln. Dann gibt es Tomaten zusammen mit Mandarinen und reichlich Erdnüssen aufgekocht. Den Tunfisch gibt es kalt aus der Dose obendrauf. Oh Gott, womit haben wir das verdient. Nur Karl-Josef stellt fest: „Schmeckt aber gut!“ Nach tagelanger Abstinenz beschließen wir den mittlerweile kümmerlichen Rest an Wodka aufzuteilen, womit das Abendessen noch eine gute Wende nimmt. Ich verschwinde schon um 22:30 Uhr in mein Zelt, während Karl-Josef noch einige Zeit mit Yvonne und Danica über der geeignetsten weiteren Fahrroute brütet. Während ich schon im erholsamen Schlaf liege, holen meine Mitradler am Abend / in der Nacht das Erlebnis des sich wiederholenden Sonnenuntergangs nach!










