Mittwoch, den 19. Juni; von Vaasa nach Nykarleby; was geschah nach 00:00 Uhr? Fahrt durch die Sonne über weitere Inseln und Landzungen.

Bild des Benutzers Karl-Josef

Um 00:00 Uhr verließ ich den Aufenthaltsraum und machte mich auf den Weg zum 100 m entfernt liegenden Zeltplatz. Jetzt sah ich erst, dass der Himmel gegen Westen blutrot war. Auf dem Weg vor unseren Zelten hatten sich einige Camper eingefunden und bewunderten den gerade stattgefundenen Sonnenuntergang über dem nahen Ufer. Der Sonnenball war schon verschwunden. Nach dem Kalender musste sie um 23:48 untergegangen sein. Schnell ins Zelt und die Videokamera geholt. Heiner und Jürgen schliefen bereits. Ich filmte von verschiedenen Stellen des Ufers einige Clips des blutroten bis goldgelben Wolkenhimmels. Tiefe graue Farbtöne mit hellweißen Lichtern verstärkten die plastische, unendlich scheinende Himmelsdecke, die im goldenen Horizont am Saum des gegenüberliegenden Ufers endete. Dort, wo die Sonne abgetaucht war, glitzerte das Wasser silberrot bis goldgelb – wie der Nachthimmel. Ich atmete kaum, da ich die Kamera ruhig halten musste und mich das Schauspiel einfach überwältigte. Weitere Zuschauer waren mittlerweile verschwunden. Es war immer noch dämmrig-hell. Ich benutze seit mehreren Wochen keine Stirnlampe mehr, um ins Bett zu gehen. So konnte ich leise, ohne Heiner zu stören, mich umziehen und in den vorbereiteten Schlafsack kriechen, um sofort einzuschlafen. Stunden später weckte mich das scharfe Summen des Reißverschlusses. Heiner krabbelte aus dem Zelt. Es war 3:00 Uhr. Uns beide zog ein menschliches Bedürfnis nach draußen. Nachdem ich meinen Vierfüßlerstand im Vorzelt beendet hatte und mich draußen aufrichtete, ging mein Blick nach Osten. „Sonnenaufgang − wunderbar – guck dir das an!“ sagte Heiner. Nicht sehr weit von der Stelle, wo die Sonne vor etwas über 3 Stunden untergegangen war, stand sie nun schon ein beachtliches Stück über den Büschen in der Ferne als gleißende Kugel und verwandelte den Himmel in heiß-gelber Farbe. Mittsommernacht ist nicht mehr weit, war uns damit klar. Mein tiefer Schlaf dauerte nicht mehr sehr lange. Kurz vor 6 Uhr schlich ich aus dem Zelt, genoss den leeren Duschraum mit Bodenheizung und heißem Wasser alleine, zog mich sofort an und ging zur Küche. Das Notebook hatte ich dabei. Nun wurden die Bilder beschriftet, sortiert, verkleinert und alles zum E-Mail-Versand vorbereitet. Jürgen war mittlerweile auch eingetroffen und half mir bei den letzten Schritten. Er backte dann zum reichhaltigen Frühstück 6 mal „Sunny side up“-Eier. Die frisch überholten Räder waren schnell gepackt und der erste Weg führte uns nochmal quer durch die Stadt Vaasa zur Überlandstraße Nummer 8. Die erste Strecke dieser stark befahrenen, zweispurigen Straße wurde zum Glück von einem abseits geführten Radweg begleitet. Nach ca. 6 km endete dieser und wir mussten wieder mit im Verkehrsstrom der Straße 8 schwimmen. Nach kurzer Strecke auf dem Autoput entschieden wir uns für den längeren Weg über die Nebenstraßen, die auch teilweise die schon erwähnte Fernradroute „Baltic Sea Cycle Route Part Finland Nummer 8“ ist. Die Landschaft wird sehr abwechslungsreich. Alles, was ich in meinem vorherigen Tagebuch über meine Eindrücke beschrieben habe, ist hier wieder zu finden. Der Anteil an Birkenwäldern nimmt zu, Freiflächen mit Landwirtschaft und natürlich die bekannte „Berg- und Talfahrt“ der fast ausschließlich gut asphaltierten Straßen. Viele führen netzartig von Weiler zu Weiler und man muss stets den richtigen Weg im Auge behalten. Das gelingt dank Karte und Navi, wobei die Orientierung mit den Ortsnamen und deren Schreibweise schwer fällt. Neu sind sehr lang gezogene, ca. 3 m hohe Hausreihen in der Ferne. Als wir eins in Straßennähe näher in Augenschein nehmen konnten, erinnerten wir uns an den Hinweis im Radführer, dass hier auch ein Zentrum für die Zucht von Nerzen zu finden ist. Durch das Teleobjektiv betrachtet wurden Nagetierställe sichtbar. Neben diesem Erwerbszweig ist immer mehr Landwirtschaft mit sehr großen Treibhäusern und Wiesenflächen und kleinen Äckern zu sehen. Ca. 20 km vor dem nächsten Campingplatz entscheiden wir uns den in Nykarleby aufzusuchen, da wir dann rd. 100 km Tagesstrecke absolviert haben und nicht den geplanten in weiteren 25 km entfernten Platz in Jakobstad. Die Sonne verwöhnte uns bei Zeltaufbau und Abendessen weiterhin. Wichtig ist ein Highlight unserer Ostseeumrundung zu erwähnen. Unsere sehr charmante Platzvermieterin bot an, dass wir den Grillplatz nutzen können und legte dicke Birkenholzscheite bereit. Jürgen holte im nahen Supermarkt 2 unterschiedliche Wurstpackungen, 6 marinierte Schweinsschnitzel und 8 Rinderschnitzel. Heiner bereitete grünen Salat mit Basilikumsoße sowie Gurken und Tomaten zu. Das Grillfeuer war schnell entfacht und so gab es für Jürgen und mich ein sehr fleischlastiges Abendessen. Heiner ist kein großer „Fleischesser“ und beschränkte sich auf die Salate sowie eine Wurst und ein Schnitzelchen. Sechs Rinderschnitzel kamen für den nächsten Tag in den Kühlschrank der Küche. Der Abend wurde kühler. Daher zogen wir uns in den Aufenthaltsraum zurück und arbeiten am Blog. Die Augen wurden gegen 24:00 Uhr müde und wir zogen uns jeder in seinen warmen Schlafsack zurück.

Tags: